Was der Brexit für die Fluggesellschaften bedeutet
19.05.2017

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Es sieht alles danach aus, als würden die Verhandlungen um den EU-Austritt Großbritanniens nicht gerade einfach werden. Bisher ist noch vieles unklar – auch für den Flugverkehr. Fest steht, dass der Brexit für Fluggesellschaften schwerwiegende Folgen haben kann. Nicht nur ein massiver Rückgang der Passagierzahlen wird erwartet, sondern auch der Verlust zentraler Verkehrsrechte.

Die Billigfluggesellschaft Ryanair ging bereits kurz nach der Verkündung des Votums für den Austritt Großbritanniens aus der EU auf die Barrikaden. Es sei die „dümmste Entscheidung“, beklagt sich Ryanair-Chef Michael O’Leary. Die irische Fluggesellschaft ist in der Tat schwer betroffen. 35 Prozent aller Ryanair-Flüge gehen nach Großbritannien.

Für die Fluggesellschaften ist eine schnelle Verhandlung essentiell. Die Flugpläne werden mindestens ein Jahr im Voraus geplant, die Airlines brauchen also einige Vorbereitungszeit, um entsprechende Umbauten umsetzen zu können. Die Austrittsverhandlungen können jedoch zwei Jahre dauern und damit für viele Airlines zu spät kommen. O’Leary drohte bereits damit, den Flugverkehr ganz lahmzulegen und ab März 2019 die Flüge zwischen GB und EU für Wochen oder Monate zu streichen. Für lange, mühselige Verhandlungen sei kein Platz, die Airlines fordern Klarheit über die Zukunft der Luftverkehrsabkommen.

Die bisherigen Regeln und Grundlagen des Flugverkehrs zwischen der britischen Insel und der Union werden mit dem Brexit ungültig. Durch den EU-Austritt ist Großbritannien automatisch auch kein Mitglied des gemeinsamen europäischen Luftraums (European Common Aviation Area – ECAA) mehr. Die Mitgliedschaft im ECAA steht zwar auch Nicht-EU-Staaten prinzipiell offen – Norwegen ist ein Beispiel dafür – dies müsste allerdings zunächst verhandelt werden. Voraussetzung wäre, dass London weitere Urteile des Europäischen Gerichtshof anerkennt. Dies möchte Premierministerin Theresa May allerdings verhindern.

Die wesentlich wahrscheinlicheren Alternativen sind, dass entweder ein neues bilaterales Abkommen mit der EU gemacht wird oder, im schlimmsten Fall, Großbritannien mit jedem einzelnen EU-Land Flugvereinbarungen treffen müsste. Verhandlungen mit 27 Staaten kosten vor allen Dingen Zeit. Dass in allen Fällen so vorteilhafte Bedingungen wie in der EU ausgehandelt werden können ist zudem zweifelhaft.

Der Brexit könnte aber nicht nur die Flugverbindungen in die EU betreffen, sondern auch Auswirkungen auf Luftverkehrsverbindungen in den Rest der Welt haben. Ein Beispiel ist das Open-Skies-Abkommen der EU mit den USA. Wenn Großbritannien auch aus diesem Abkommen rausfliegen sollte, müssten mit vielen weiteren Staaten neue Abkommen ausgehandelt werden. Dies hätte vor allem für British Airways fatale Folgen. Für die britische Airline ist die Strecke von London nach New York eine wichtige Verbindung.

Die Aussichten für die Luftfahrtindustrie sind mit dem Brexit also nicht gerade rosig. Der Internationale Luftverkehrsverband IATA hat mögliche Szenarien durchgespielt, die sich mit dem Brexit ergeben könnten. Bei einem „harten Brexit“ könnte man 2035 mit rund 20 Million Passagieren weniger rechnen. Bei einem sanften Ausstieg rechnet IATA mit einem Plus von 2,2 Prozent, wobei der Zuwachs weltweit auf 5 Prozent geschätzt wird.

Ryanair hat derweil schnell auf das Referendum reagiert. In dem bisher wichtigsten Einzelmarkt der Airline mit 19 Flughäfen, 3000 Beschäftigten und 44 Millionen Kunden wurden keine neuen Flugzeuge stationiert. Die 50 neuen Maschinen wurden in Deutschland und anderen EU-Staaten untergebracht. Airline-Chef O’Leary bestätigte: „Wir werden all unser Wachstum in die Europäische Union umleiten.“

Aber nicht nur die irische Airline mit Sitz in Dublin ist betroffen. Auch die britische Konkurrenz Easyjet hat mit dem Brexit Verluste zu befürchten. Beide Billigflieger hatten von der Liberalisierung des Flugverkehrs in der EU immens profitiert, nun ist dem ein Ende gesetzt. Easyjet-Chefin Carolyn McCall kündigte an, einen neuen Hauptsitz in der EU gründen zu wollen. Anderenfalls müsste die Fluggesellschaft in Zukunft darauf verzichten, Flüge von verschiedenen Städten Europas zu Zielen auf dem ganzen Kontinent anzubieten und müsste sich auf Flüge von und nach Großbritannien beschränken.

Die Gründung einer Firma in der EU als neuer Mutterkonzern für Easyjet könnte den Verlust der Rechte verhindern. Die Airline könnte so das bisherige Streckennetz ohne Einschränkungen beibehalten. Auch EU-Beamte hatten Fluglinien diesen Notfallplan nahegelegt. Nur durch die Verlagerung des Hauptsitzes in die EU oder wenn die Anteile des Unternehmens hauptsächlich EU-Aktionären gehöre, könnten auch nach 2019 noch problemlos innereuropäische Flüge angeboten werden.

Die Chancen Großbritanniens auf eine Sonderbehandlung stehen schlecht. Brüssel zeigt bisher keine Breitschaft, dem Aussteiger entgegen zu kommen. Das Vorziehen von Luftfahrtthemen bei den Brexit-Verhandlungen werde von einigen Ländern blockiert. Auch Lufthansa-Chef Carsten Spohr spricht sich gegen einen Sonderstatus der Briten bei Luftverkehrsrechten aus.

Diese Haltung ist mehr als verständlich, so wird die Lufthansa-Tochter Eurowings von den Problemen der Konkurrenten nur profitieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel stützt dabei die Haltung Lufthansas. Besonders die Regierungen Deutschlands und Frankreichs setzen auf harte Verhandlungen ohne überflüssige Zugeständnisse.

Auch die Passagiere könnten die Turbulenzen bei den Fluggesellschaften zu spüren bekommen. Es ist zu erwarten, dass durch die geschwächte Konkurrenz auf dem Billigflieger-Markt auch der Wettbewerb um die billigsten Preise ins Stocken gerät. Doch das ist nicht das einzige mögliche Szenario. Denn wenn die betroffenen Billig-Airlines ihr Wachstum nun auf das europäische Kontinent verlagert, könnte das dort auch für mehr Wettbewerb und in der Konsequenz für sinkende Preise sorgen.

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